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Die Bezeichnung "Scheinwerkvertrag" ist weit verbreitet. Gemeint ist die Konstellation, dass ein Auftraggeber eine Aufstockung seiner Belegschaft benötigt, jedoch zur Vermeidung von Arbeitgeberpflichten keine Arbeitsverträge mit neuen Mitarbeitern abschließen möchte. Stattdessen werden mit einem Nachunternehmer vermeintliche Werkverträge abgeschlossen. Der Auftragnehmer schickt dann seine Arbeitnehmer zum Auftraggeber und dieser setzt die Arbeitnehmehmer so ein, wie es ihm beliebt, er erteilt den Arbeitnehmern konkrete Arbeitsanweisungen und bestimmt deren Arbeitszeiten. Diese Konstellation ist in der Regel als illegale Arbeitnehmerüberlassung zu bewerten mit schwerwiegenden strafrechtlichen und arbeitsrechtlichen Folgen sowohl für den vermeintlichen Auftraggeber als auch für den vermeintlichen Auftragnehmer.

Mit dem aktuellen Urteil vom 30.11.2023 zum Aktenzeichen 3 StR 192/18 behandelte der Bundesgerichtshof (BGH) hingegen die Abgrenzung zwischen (illegaler) Arbeitnehmerüberlassung und Arbeitsvermittlung. Ein Unternehmen hatte als Auftraggeber einen Nachunternehmer mit der Durchführung von vermeintlichen Werkverträgen in der Fleischproduktion beauftragt. Der Nachunternehmer beauftragte dann seinerseits in Bulgarien ansässige Subunternehmer, die dann Arbeitnehmer auf dem bulgarischen Arbeitsmarkt anwarben und zur Durchführung der vermeintlichen Werkverträge nach Deutschland schickten. Auch in diesem Fall war es so, dass lediglich eine Personalaufstockung beim Auftraggeber in Deutschland erfolgen sollte und kein individualisierbarer Leistungserfolg geschuldet wurde. Hiermit war unproblematisch, dass es sich um sogenannte Scheinwerkverträge handelte.

Allerdings beurteilte der BGH die hier betreffende Fallkonstellation nicht als illegale Arbeitnehmerüberlassung, sondern als Arbeitsvermittlung, weil "die Beziehung des Arbeitnehmers zum formellen Arbeitgeber (hier die Subunternehmer in Bulgarien)  tatsächlich so inhaltsleer ist, dass dieser selbst die begrenzte Steuerungsfunktion nicht mehr erfüllt, die einem Verleiher (in der Arbeitnehmerüberlassung) als Arbeitgeber mindestens zukommt". Dies ist der Fall, "wenn der vermeintliche Entleiher (also der Auftraggeber) nicht nur die Arbeitsleistung steuert, sondern darüber hinaus den bestimmenden Einfluss auf den Bestand und die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses hat." Im hier vorliegenden Fall entschied der vermeintliche Auftraggeber, wann die Arbeitnehmer des bulgarischen Subunternehmers Urlaub nehmen durften und welche der eingesetzten Arbeitnehmer entlassen werden sollen. Der Auftraggeber zahlte als Werklohn verkleidete Pauschalsummen an den bulgarischen Subunternehmer, der dann "als Zahlstelle" aus diesen Beträgen den Arbeitslohn an die Arbeitnehmer auszahlte.

Wenn also das arbeitsrechtliche Band zwischen den Arbeitnehmern und dem vermeintlichen Arbeitgeber besonders lose und inhaltsleer ist, dann kann es sein, dass ein Scheinwerkvertrag nicht als illegale Arbeitnehmerüberlassung qualifiziert wird, sondern als Arbeitsvermittlung. Da es sich nicht um (illegale) Arbeitnehmerüberlassung handelt, wird dann zwar nicht gemäß § 10 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Auftraggeber und den betroffenen Arbeitnehmern angeordnet. Allerdings urteilt der BGH in dem hier dargestellten Urteil, dass wegen "rechtsmissbräuchlicher Umgehung" trotzdem ein Arbeitsverhältnis anzunehmen ist. Die Annahme von Arbeitsvermittlung anstelle von (illegaler) Arbeitnehmerüberlassung hilft den beteiligten Unternehmen also weder in strafrechtlicher noch in zivilrechtlicher Hinsicht weiter.

Am 01.03.2024 haben sich die Tarifvertragsparteien der Zeitarbeit (Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit des GVP und Tarifgemeinschaft Leiharbeit des DGB) auf neue tarifliche Stundenentgelte für die Zeit ab dem 01.10.2024 geeinigt.

Die Bruttostundenentgeltsätze lauten:

 

Für die Zeit ab dem 01.10.2024:

Entgeltgruppe 1    = 14,00 €,

Entgeltgruppe 2 a = 14,31 €,

Entgeltgruppe 2 b = 14,67 €,

Entgeltgruppe 3   = 15,62 €,

Entgeltgruppe 4   = 16,51 €,

Entgeltgruppe 5   = 18,51 €,

Entgeltgruppe 6   = 20,55 €,

Entgeltgruppe 7   = 23,91 €,

Entgeltgruppe 8   = 25,60 €.

 

Für die Zeit ab dem 01.03.2025:

Entgeltgruppe 1    = 14,53 €,

Entgeltgruppe 2 a = 14,85 €,

Entgeltgruppe 2 b = 15,23 €,

Entgeltgruppe 3   = 16,21 €,

Entgeltgruppe 4   = 17,14 €,

Entgeltgruppe 5   = 19,21 €,

Entgeltgruppe 6   = 21,33 €,

Entgeltgruppe 7   = 24,82 €,

Entgeltgruppe 8   = 26,57 €.

Lohnuntergrenze in der Leiharbeit:

Derzeit besteht keine spezielle Lohnuntergrenze in der Leiharbeit im Sinne von § 3 a des Arbeitenehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), da die "5. Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung" (5. AÜGLohnV) am 31.03.2024 (Bruttomindestentgeltstundensatz zuletzt = 13,50 €) außer Kraft getreten ist.

Üblicherweise wird in Rechtsverordnungen über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung das aktuelle Tarifentgelt der Entgeltgruppe 1 als Lohnuntergrenze festgesetzt. Dementsprechend ist damit zu rechnen, dass alsbald in einer 6.AÜGLohnV folgende Lohnuntergrenzen in der Arbeitnehmerüberlassung festgesetzt werden:

Ab dem 01.10.2024 = 14,00 € und ab dem 01.03.2025 = 14,53 €.

Über den Erlass der 6.AÜGLohnV werde ich zu gegebener Zeit berichten.

 

Viele Arbeitsverhältnisse kommen durch Vermittlung eines Personaldienstleisters (Headhunter) zustande. Die Verträge zwischen dem Personaldienstleister und dem Arbeitgeber enthalten zumeist eine Klausel, wonach der Personalvermittler einen Teil der Provision zurückerstatten muss, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines gewissen Zeitraums das Arbeitsverhältnis kündigt oder Anlass zu einer arbeitgeberseitigen Kündigung gibt.

Manche Arbeitgeber verfallen allerdings auf die Idee, durch eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag (auch) den Arbeitnehmer zur Rückzahlung der Provision zu verpflichten. Dieser Vorgehensweise hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) einen Riegel vorgeschoben, wie das Urteil vom 20.06.2023 zum Aktenzeichen 1 AZR 265/22 zeigt:

Im Arbeitsvertrag mit dem vermittelten Arbeitnehmer befand sich eine Klausel, wonach der Arbeitnehmer Vermittlungsprovision an den Arbeitgeber zu erstatten hat, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb eines Zeitraums von 13 Monaten wegen einer vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung endet. Der Arbeitnehmer kündigte schon 2 Monate nach Beginn das Arbeitsverhältnisses und der Arbeitgeber behielt dann unter Berufung auf die Erstattungspflicht der Vermittlungsprovosion  Arbeitsentgelt ein. Dieses Arbeitsentgelt klagte der Arbeitnehmer ein.

Das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht. Die auf Erstattung der Vermittlungsprovision gerichtete Arbeitsvertragsklausel ist gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Der Arbeitnehmer wird durch eine solche Klausel in seinem grundgesetzlich geschützten Recht auf freie Arbeitsplatzwahl beeinträchtigt, ohne dass dies durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt wird. Der Arbeitgeber trägt das unternehmerische Risiko dafür, dass sich von ihm getätigte Aufwendungen für Personalbeschaffung nicht lohnen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise das Arbeitsverhältnis beendet.

In diesem Zusammenhang bringe ich in Erinnerung, dass Arbeitsverträge in aller Regel Allgemeine Geschäftsbedingungen sind und somit zugunsten des Arbeitnehmers der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB unterliegen.

 

 

Die Kommunikation über Chatgruppen und soziale Medien wird immer üblicher, birgt allerdings Risiken, wie folgendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 24.08.2023 zum Aktenzeichen 2 AZR 17/23 zeigt:

Der Arbeitnehmer gehörte mit einigen befreundeten Kollegen einer Chatgruppe an, in der gewöhnlich private Informationen ausgetauscht wurden. Der Arbeitnehmer äußerte sich dann in der Chatgruppe beleidgend über andere Mitarbeiter, auch Vorgesetzte. Als der Arbeitgeber hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fristlos.

Mit seiner Kündigungsschutzklage hatte der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Erfolg, weil in diesen Instanzen geurteilt wurde, dass der Arbeitnehmer erwarten durfte, dass in der Chatgruppe ausgetauschte Nachrichten vertraulich bleiben.

Das Bundesarbeitsgericht war allerdings anderer Ansicht und urteilte: Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder einer Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Dies ist vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und Zusammensetzung der Chatgruppe abhängig. Bei beleidigenden Äußerungen über Betriebsangehörige muss der Arbeitnehmer besonders darlegen, warum er darauf vertrauen durfte, dass der Inhalt seiner Äußerungen nicht weitergegeben wird. Kann er dies nicht in überzeugender Weise tun, ist die arbeitgeberseitige Kündigung rechtmäßig.

Beleidigende oder herablassende Äußerungen über Betriebskollegen in Chatgruppen oder sozialen Medien sollten daher schon aus arbeitsrechtlichen Gründen unterlassen werden.

Entgeltfortzahlungsansprüche von Arbeitnehmern wegen Krankheit setzen voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich krank ist. Beweismittel für das Vorliegen der Krankheit ist eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU).  AU haben einen hohen Beweiswert. Wenn ein Arbeitgeber Entgeltfortzahlung verweigern will, muss er den Beweiswert der AU erschüttern. Wenn dies gelingt, muss der Arbeitnehmer auf andere Weise den vollen Beweis dafür erbringen, dass er während des behaupteten Zeitraums arbeitsunfähig krank war, was ihm nur selten gelingen wird.

Für die Erschütterung des Beweiswertes einer AU gelten allerdings strenge Anforderungen. Hierzu erging am 13.12.2023 das aktuelle Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Aktenzeichen 5 AZR 137/23, in dem folgender Sachverhalt beurteilt wurde:

Der Arbeitnehmer legte beim Arbeitgeber  an einem Tag zu Beginn des Monats eine AU für 4 Krankheitstage vor. Am selben Tag schickte der Arbeitgeber die Kündigungserklärung des Arbeitsverhältnisses (mit Kündigungsfrist zum Ende desselben Monats) ab, die dem Arbeitnehmer 1 Tag später zuging. Der Arbeitnehmer legte dem Arbeitgeber dann nahtlos anschließende AU - Folgebescheinigungen vor, mit denen Krankheit bis zum Ende des Monats - also bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses laut Kündigungserklärung -  bestätigt wurde. Am 1. Tag des Folgemonates nahm der Arbeitnehmer eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber auf. Der Arbeitgeber verweigerte Entgeltfortzahlung für den betreffenden Monat, weil der Beweiswert aller AU erschüttert sei.

Das BAG führte zunächst aus, dass es für den Beweiswert einer AU, die im Zusammenhang mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegt wird, ohne Bedeutung ist, ob die Kündigung vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber ausgesprochen wurde.

Das BAG urteilte sodann, dass der Beweiswert der ersten AU nicht erschüttert sei, weil dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Vorlage der ersten AU die Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht bekannt war, da die Kündigungserklärung des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer erst einen Tag nach Vorlage der AU Bescheinigung bekannt wurde, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Kündigung des Arbeitsverhältnisses und der Krankschreibung nicht bestand. Hinsichtlich der Folgebescheinigungen beurteilte das BAG deren Beweisert jedoch als erschüttert, weil die AU - Folgebescheinigungen exakt bis zum Ende der Kündigungsfrist reichten, also "passgenau" waren und es dem Arbeitnehmer erlaubten, dann rechtzeitig zum Beginn des Folgemonates eine Beschäftigung bei einem neuen Arbeitgeber aufzunehmen. Für die von den AU - Folgebescheinigungen belegten Zeiträume muss der Arbeitnehmer also nun auf anderem Wege den vollen Beweis für krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit erbringen, was ihm voraussichtlich schwerfallen wird.

 

 

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