Ich berichte vom Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vom 06.03.2025 zum Aktenzeichen 5 Sa 222 d/24, worin folgende Themen behandelt werden:
Bedeutung des vom Entleiher ausgefüllten Fragebogens zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen in seinem Betrieb:
Falls der Verleiher mit seinen Arbeitnehmern nicht die Anwendung eines Tarifwerkes der Zeitarbeit vereinbart hat (iGZ oder BAP, ab dem 01.01.2026 GVP), muss er seinen überlassenen Arbeitnehmern gemäß § 8 Absatz 1 AÜG zumindest solche wesentlichen Arbeitsbedingungen gewähren, die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gelten (Gleichstellungsgrundsatz, Equal Treatment). Im Fall der Vereinbarung der Anwendung eines Tarifwerkes der Zeitarbeit gilt gemäß § 8 Absatz 4 Satz 1 AÜG nach 9 Monaten Überlassungszeit hinsichtlich des Arbeitsentgelts der Gleichstellungsgrundsatz (Equal Pay). Dem Verleiher muss also bekannt sein, welche wesentlichen Arbeitsbedingungen / Entgeltleistungen im Betrieb des Entleihers einem vergleichbaren Arbeitnehmer gewährt werden. Die Abfrage dieser Arbeitsbedingungen erfolgt üblicherweise durch einen vom Verleiher vorgelegten Fragebogen, der vom Entleiher auszufüllen ist.
Im vom LAG entschiedenen Fall gewährte der Entleiher seinen Arbeitnehmern eine Inflationsausgleichsprämie, die in dem Fragebogen genannt war. Der Verleiher gewährte diese Inflationsausgleichsprämie nur in wesentlich geringerem Umfang.
Das LAG urteilte, dass aus der Angabe der Inflationsausgleichsprämie im Fragebogen kein unmittelbarer Anspruch des Arbeitnehmers des Verleihers auf die Gewährung der Inflationsausgleichsprämie folgt, weil es sich bei den Angaben des Entleihers im Fragebogen nicht um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung gegenüber den Arbeitnehmern des Verleihers handelt. Der Fragebogen ist nicht darauf gerichtet, den Arbeitnehmern des Verleihers unmittelbar Rechte zu vermitteln, es handelt sich um die Übermittlung von Informationen des Entleihers an den Verleiher, die dieser zur Erfüllung seiner aus dem Gleichstellungsgrundsatz folgenden Verpflichtungen gegenüber seinen Arbeitnehmern benötigt. Aus diesem Grund sind die im Fragebogen angegebenen Arbeitsbedingungen auch kein Vertrag zugunsten Dritter, aus dem die überlassenen Arbeitnehmer des Verleihers unmittelbar Ansprüche herleiten können.
Mechanik der Prüfung der Einhaltung des Grundsatzes Equal Pay:
Das LAG urteilte, dass aus der Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie durch den Entleiher nicht automatisch ein Anspruch der Arbeitnehmer des Verleihers auf Gewährung einer solchen Prämie folgt.
Bei der Prüfung der Einhaltung des Grundsatzes Equal Pay ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen. Es müssen also sämtliche vom Verleiher gewährten Entgeltbestandteile aufaddiert werden, um eine Entgeltgesamtsumme zu ermitteln. Diese Entgeltgesamtsumme ist dann der Summe der Entgeltbestandteile gegenüberzustellen, die der Entleiher einem vergleichbaren in seinem Betrieb tätigen Arbeitnehmer gewährt. Falls die Gesamtsumme der vom Verleiher gewährten Entgeltbestandteile auch ohne einzelne vom Entleiher, nicht aber vom Verleiher gewährte Entgeltbestandteile die vom Entleiher gewährte Entgeltgesamtsumme erreicht, dann ist der Grundsatz Equal Pay nicht verletzt. Es erfolgt keine Gegenüberstellung von Einzelposten, verglichen werden nur die Entgeltsummen.
Der klagende Arbeitnehmer des Verleihers ist hinsichtlich der vorstehend geschilderten Vergleichsberechnung in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet, wobei dem Arbeitnehmer eine gemäß § 13 AÜG vom Entleiher erteilte Auskunft des Entleihers über die wesentlichen Arbeitsbeidnungen behiflich ist. Im hier kommentierten Fall hatte der Arbeitnehmer weder eine Auskunft des Entleihers gemäß § 13 AÜG noch eine Gesamtentgelt-Vergleichsberechnung vorgelegt, sondern lediglich vorgetragen, dass der Entleiher an seine Arbeitnehmer eine Inflationsausgleichsprämie zahlt und der Verleiher nur in wesentlich geringerem Umfang. Wegen fehlenden Vortrages zur Vergleichsberechnung der Entgeltsummen wies das LAG die Berufung des Arbeitnehmers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurück.
Qualifizierung einer Inflationsausgleichsprämie als Entgeltbestandteil im Sinne von Equal Pay:
Bei dem vorstehend geschilderten Vergleich der von Verleiher und Entleiher gezahlten Entgeltsummen zur Ermittlung der Einhaltung des Grundsatzes Equal Pay sind nur solche Entgelte zu berücksichtigen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung anzusehen sind.
Eine Inflationsausgleichsprämie soll nach dem Willen des Gesetzgebers die in besonders hohem Umfang gestiegenen Verbraucherpreise abmildern und hat keinen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Deshalb warf das LAG die Frage auf, ob eine Inflationsausgleichsprämie überhaupt in den Vergleich der Entgeltsummen zur Prüfung der Einhaltung des Grundsatzes Equal Pay einzustellen sei. Entschieden hat das LAG diese Frage nicht, da die Berufung schon aus anderen Gründen unbegründet war.