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Ich berichte vom aktuellen Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 19.05.2025 zum Aktenzeichen L 18 AL 28/25 B ER, der in zweierlei Hinsicht von Interesse ist: 

Formulierung eines Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Versagung der Verlängerung der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis: 

Bei der Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Versagung der Verlängerung der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis (ANÜ-Erlaubnis) kommen zwei unterschiedliche Antragsformulierungen in Betracht:

Gemäß § 86 a Absatz 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) besteht keine aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen die Aufhebung oder Versagung der Verlängerung einer ANÜ-Erlaubnis. Dies bedeutet, dass die Entscheidung der Erlaubnisbehörde sofortige Wirkung entfaltet, also ihre Wirkung nicht bis zur Entscheidung über Widerspruch / Klage aufgeschoben wird. Erste Möglichkeit der Antragsformulierung ist dementsprechend ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86 b Absatz 1 Nr. 2 SGG. In Betracht kommt aber auch ein Antrag gemäß § 86 b Absatz 2 SGG, der anwendbar ist, "wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte" oder wenn eine einstweilige Anordnung "zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint".

Auch wenn wegen der teilweisen Kürze der Sachverhaltsbeschreibungen in den hier genannten Beschlüssen die Vergleichbarkeit der Sachverhalte von mir nicht abschließend beurteilt werden kann, ergibt sich für mich der Eindruck, dass die Landessozialgerichte zur Frage der zutreffenden Antragsformulierung uneinig sind:

In den Fällen, in denen der Antrag auf Verlängerung der ANÜ-Erlaubnis im Sinne von § 2 Absatz 4 Satz 2 AÜG rechtzeitig gestellt wurde (also spätestens drei Monate vor Ablauf der vorangegangenen Erlaubnis), verlängert sich die ANÜ - Erlaubnis gemäß § 2 Absatz 4 Satz 3 AÜG automatisch, wenn der Verlängerungsantrag von der Erlaubnisbehörde nicht bis zum Datum des Ablaufes der vorangegangenen Erlaubnis abgelehnt wird. In einem vorangegangenen Artikel berichtete ich von dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen zum Aktenzeichen L 11 AL 76/24 B ER. In diesem Beschluss (und in weiteren dort zitierten Entscheidungen diverser anderer Landessozialgerichte) wird die Auffassung vertreten, dass in diesen Fällen der Rechtsschutzantrag gemäß § 86 b Absatz 1 Nr. 2 SGG (also auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung) zu formulieren sei, denn im Fall einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung des Gerichts würde die aufschiebende Wirkung zur Rechtsfolge des § 2 Absatz 4 Satz 3 AÜG führen, also zur Verlängerung der ANÜ-Erlaubnis um ein weiteres Jahr. 

In dem hier kommentierten Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg wird hingegen die Auffassung vertreten, dass im Falle der Versagung der Verlängerung einer ANÜ - Erlaubnis ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 86 b Absatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu formulieren sei und nicht gemäß § 86 b Absatz 1 Nr. 2 SGG. Das LSG Berlin-Brandenburg stützt seine Auffassung auf § 2 Absatz 4 Satz 4 AÜG, wonach im Falle der Ablehnung der Verlängerung lediglich noch Altverträge für eine Zeit von maximal 12 Monaten abgewickelt werden dürfen. Deshalb könne die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86 b Absatz 1 Nr. 2 SGG nicht zu der begehrten Verlängerung der ANÜ - Erlaubnis führen. Deshalb sei der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 86 b Absatz 2 SGG zu formulieren, also auf Erhalt einer ANÜ - Erlaubnis für das Jahr nach Ablauf der vorangegangenen Erlaubnis.

Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen im Hinblick auf diese divergierende Rechtsprechung spreche ich vorsorglich folgende Empfehlung aus: In Anträgen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Versagung der Verlängerung der ANÜ-Erlaubnis soll die Bitte um einen gerichtlichen Hinweis für den Fall eingearbeitet werden, dass seitens des Gerichts eine abweichende Formulierung des Rechtsschutzantrages für erforderlich erachtet wird, um das gewünschte Ziel der Verlängerung der ANÜ - Erlaubnis erreichen zu können.

Begründetheit eines Antrages gemäß § 86 b Absatz 2 SGG:

Grundsätzlich können bei der Prüfung der Begründetheit eines Antrages gemäß § 86 b Absatz 2 SGG sowohl die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung in der Hauptsache (Widerspruch oder Klage) als auch die Folgen der gerichtlichen Entscheidung herangezogen werden. Hierzu wird im dem hier kommentierten Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg erläutert:

Falls beim Antragsteller ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes schwere, unzumutbare Folgen eintreten würden, die im Hauptsacheverfahren (Widerspruch oder Klage) nicht mehr beseitigt werden können, darf das Gericht seine Entscheidung nur dann allein an den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ausrichten, wenn Sachverhalt und Rechtslage vollständig aufgeklärt sind (was in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren eher selten der Fall sein wird). Wenn die Sach- und Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht umfassend aufgeklärt ist, müssen die negativen Folgen bei der Entscheidung berücksichtigt werden.

Wenn die Ablehnung der Verlängerung der ANÜ - Erlaubnis auf einer Summe nicht schwerwiegender (wenn auch wiederholt festgestellter) Verstöße beruht, dann tritt das Interesse der Erlaubnisbehörde an einer sofortigen Unterbindung der weiteren Verleihtätigkeit des Antragstellers zurück, und zwar insbesondere dann, wenn der Antragsteller bereits Maßnahmen ergriffen hat, um zukünftige Gesetzesverstöße erheblich zu reduzieren. Die negativen Folgen der einstweiligen Versagung der Verlängerung der ANÜ-Erlaubnis für den Antragsteller werden dann als gewichtiger beurteilt, denn dem Antragsteller drohen dann in Gestalt des Verlustes des Kundenstamms und Kündigung der Arbeitsverhältnisse durch die Arbeitnehmer nicht wiedergutzumachende wirtschaftliche Folgen in seiner grundgesetzlich geschützten Tätigkeit. Dementsprechend hatte der Antragsteller in diesem Fall mit seinem einstweiligen Rechtsschutzantrag Erfolg.